Frankensteins Haus 1944
Überblick: In einer stürmischen Nacht gelingt Dr. Gustav Niemann die Flucht aus dem Gefängnis von Neustadt, wo er als Anhänger der Lehren des berüchtigten Dr. Frankenstein über ein Jahrzehnt einsaß, und mit ihm sein getreuer Zellengenosse Daniel, den ein schwerer Buckel verunstaltet
Kommentar
Warum? Warum will jemand einem Hund menschlichen Verstand einflößen? Warum will Dr. Niemann Hirnchentausch spielen? Warum sind die Gefängnismauern so schlecht verarbeitet, dass sie beim Gewitter direkt zusammenfallen und zwei Verrückten die Freiheit bringen, die vorher 15 Jahre gefangen waren - und das in einer Landschaft, in der es nachweislich jede Nacht blitzt und donnert? Warum müssen Dr. Niemann und sein Hunchback-Kumpan nach der Flucht ein mobiles Kuriositätenkabinett überfallen? Warum erweckt Dr. Niemann Dracula wieder zum Leben, ein monströses, unsterbliches Geschöpf, das Blut saugt? Nur weil ihm niemand glauben will, dass er tatsächlich im Besitz des echten Dracula-Skeletts ist? Es ist doch nicht mal sein Skelett. Er hat es gestohlen. Kann ihm das nicht schnurzpiepe sein, ob ein alter Kauz dahinter miese Tricks vermutet? Warum vergeudet Regisseur Erle C. Kenton die Hälfte seiner Zeit dafür, einen Dracula-Plot zu spinnen, wenn der nach knapp 30 Minuten beendet ist und für die weiteren Ereignisse keine, aber auch wirklich gar keine Bedeutung mehr hat? Warum sind das Frankenstein-Monster und der Wolfsmensch gemeinsam in einer Eishöhle konserviert? Gemeinsam... in einer Eishöhle?!? Warum nennt sich der Film “Frankensteins Haus”, wenn es doch fast zu gleichen Anteilen ein Dracula- und ein Wolfsmenschfilm ist, während das Frankenstein-Monster im ganzen Film effektiv zwei, drei Handlungen ausführt? Warum ist die Banane krumm? Der Universalschlüssel für diese Fragen kommt ironischerweise aus der Universal-Schmiede, und es ist ein alter Bekannter: der Kommerz. “Frankenstein meets the Wolf Man” hatte im Jahr zuvor durch sein Einspiel legitimiert, ein weiteres Zusammentreffen der bekanntesten Universal-Monster zu arrangieren. Da ließ sich das “Monster” unter den Produktionsstudios nicht zweimal bitten und übertrug den Ursprungsgedanken der Pizza (oder des Eintopfes) mal wieder auf ein Filmprojekt. Die Reste vom Vortag sammeln, auf einen Teigboden klatschen und kurz aufbacken. Das Ergebnis ist selbstverständlich wieder Unsinn Deluxe. Die Prämisse war es einfach nur, möglichst viele Monster unter einen Hut zu bringen. Für die ursprünglich ebenfalls angedachte Mumie war kein Platz mehr, aber laut Filmplakat kam man doch immerhin auf fünf Monster, wobei es nun strittig ist, ob man einen “Mad Doctor” und einen “Hunchback” wirklich als Monster bezeichnen soll. Filmhistorisch heute vielleicht schon (zumindest was den “Mad Doctor” betrifft; den “Hunchback” heutzutage als Monster zu bezeichnen, ist politisch vielleicht nicht ganz korrekt), seinerzeit aber wohl kaum - da sind kommerzielle Gedanken nicht von der Hand zu weisen. In dem hässlichen Mosaik, das dieser Film nun mal ist, können Scriptwriter-Qualitäten von Curt Siodmak und Edward T. Lowe Jr. kaum herausgeschmeckt werden, wird denen doch kaum viel Raum zur Entfaltung zugestanden haben. Hauptsache, alle Monster bekommen ihre Screentime und machen ordentlich Dampf. Logische Ungereimtheiten führt dies zwangsläufig mit sich, aber die hier vorzufindenden Plotfrakturen sind kaum mehr als Ausnahmen oder Versehen zu bezeichnen. Da wurde schlicht und ergreifend geschlampt. Es wird dem Studio egal gewesen sein, und den Scriptwritern war es das wohl auch. Alles andere wäre auch verschwendete Energie gewesen. Trotzdem muss man den Herren Vorwürfe machen, denn es ist zwar viel los, aber eigentlich nur Käse. Was man erwartet bei einem “House”-Film, das sind Aufeinandertreffen. Fetzige Fights mit Effekten en masse, ein gigantomanisches Kampfspektakel zwischen Wolfsmensch und Frankenstein-Monster, ja warum eigentlich nicht sogar ein Threesome mit Herrn Dracula? Und dann klatscht sich der Hunchback noch mit in den Kuddelmuddel, während der verrückte Doktor außen steht, seine Finger aufgeregt ineinanderzwirbelt und irre kichert. Ja nun, wie soll ich sagen... es gibt keine Kämpfe. Dracula nibbelt eh wieder ab, bevor Lon Chaney als Wolfsmensch und Glenn Strange als Monster überhaupt ihren ersten Auftritt haben; letzterer hat überhaupt nix zu tun und liegt lieber faul rum, bis er am Ende einen auf Wrestler macht, und Chaney jammert die meiste Zeit in Menschengestalt herum, dass ihn doch entweder bitte jemand umbringen oder auf anderem Weg von seinem Fluch erlösen möge. Berühren tun sie sich alle nicht untereinander, weder körperlich noch handlungstechnisch. Als hätte Kenton Angst gehabt, beim Verschmelzen mehrerer Handlungsstränge miteinander die Kontrolle zu verlieren, schließt er lieber erstmal mit der einen Sache ab, bevor er die nächste angeht. Kenton dürfte auch für den Hirnaustausch-Unsinn verantwortlich sein, hat er doch schon bei “Ghost of Frankenstein” Regie geführt und mit dieser Thematik jongliert, ein wenig gar hatte er dabei wohl Anspruchsdenken. Aber jetzt hat der Unfug eine hübsche Schleife bekommen. In “Ghost” war ein gewisser gruseliger Grundgedanke der ganzen Sache nicht abzusprechen, nur jetzt haben wir da einen Schwachsinnigen, der doch so gern die Gehirne aller möglichen Leute austauschen will, und wen er halt nicht so mag, der bekommt das Hirn vom Wolfsmenschen, weil das ist ja mit dem bösen Fluch belegt, jede Nacht Wolfi zu spielen. Braver Hund. Weshalb er das will, ist ja eigentlich egal. Spaßig ist es allerdings, dass der Herr Dr. Niemann von keinem geringeren als Boris Karloff gespielt wird, der von sich mit Fug und Recht behaupten kann, zum rechten Zeitpunkt von seiner Rolle als Frankensteins Monster abgetreten zu sein. Wenn man sich jetzt mal ansieht, was aus dem Monster geworden ist... es liegt herum und ist ‘ne gottverdammte Kulisse. Feines Timing, Herr Karloff. Auch wenn er für meinen Geschmack einen Tick zu zurückhaltend spielt - ein wenig Overacting hätte dem Film vielleicht ganz gut getan. Das belegt auch die Szene in der Dracula-Episode mit dem jungen Pärchen, das sich auf (unfreiwillig) komischste Weise neckt, wenn etwa der junge Gatte auf ein Folterinstrument zeigt, übermütig bemerkt “Das würde sich in unserem Haushalt gut machen”, seine Frau entgegnet “Weshalb?” und er neckisch kichert: “Damit man seine Frau immer unter Kontrolle hat!” (Alles sinngemäß wiedergegeben). Huiii, da kommt allerbeste, politisch unkorrekte Unterhaltung zum Vorschein. Ansonsten erfreut eigentlich alles, was rund um den Hunchback herum geschieht. J. Carrol Naish stiehlt allen anderen die Show. Die Episode um seine Tragödie ist teilweise sogar anrührend in diesem wirren Allerlei. Wie er das hübsche Zigeunerfräulein aus ihrer Gruppe befreit, wo sie gerne mal von einem Fiesling geschlagen wurde. Wie das hübsche Ding sich trotz unübersehbarer Abneigung gegen den Buckel mit dem Hunchback anfreundet. Wie sie sich dann später in den Wolfsmenschen verliebt, der Hunchback sie vor ihm warnt und sie ihn als “eifersüchtig” und “hässlich” beschimpft. Diese ganze Geschichte bleibt auch nachhaltig hängen und hätte es durchaus mal verdient gehabt, zu einem Haupthandlungsstrang gemacht zu werden. So dumm die ganze Chose ansonsten ist, technisch kann man niemandem einen Vorwurf machen. Die gelegentlichen Effekte sehen durchaus recht eindrucksvoll aus, auch wenn das meiste mit einfachen Überblendungen realisiert wurde, was aber ja ein legitimes Mittel ist. Erfreulich ist so etwa die Regeneration Draculas, die wie eine primitive Variante des berüchtigten “Hellraiser”-Regenerationseffektes daherkommt. Die Atmosphäre ist durchaus ordentlich (der Beginn im Gefängnis ist eine Wucht) und am Ende geht es fast schon in den Actionbereich, wenn Leute durch Fensterscheiben geworfen werden und Häuserdächer hinunterfallen. Ja, und am Ende ist “House of Frankenstein” nichts weiter als eine kommerzielle Veranstaltung, die auf eine gescheite Story ebenso pfeift wie auf die legendären Monster aus der eigenen Schmiede. Relativ würdelos wird ausgerechnet das Frankenstein-Monster abgehandelt, das als Namensgeber kurioserweise total überflüssig ist und nur deshalb seinen obligatorischen Auftritt hat, weil es der Titel und die Gehirnfaszination Dr. Niemanns so will. Nicht besser ergeht es Dracula, der ein viel zu rasches Ende hat, das den geheimnisvollen Blutsauger zu allem Überfluss auch noch ziemlich dumm aussehen lässt. Dabei ist die Dracula-Episode in Sachen Atmosphäre und Dramaturgie sogar noch recht stimmig aufgebaut und für sich betrachtet gar nicht mal so übler Stoff - nur was das alles mit dem Rest des Films zu tun haben soll, ist mir schleierhaft. Dieser Rest zeichnet sich vor allem durch grandiosen Schwachsinn aus, aus dem qualitativ der Hunchback-Subplot heraussticht. Der Rest ist gelinde gesagt für die Füße. Und die Welt freut sich auf “House of Dracula”...